Die Autofahrer in Paris sind dafür bekannt, jeden Parkraum durch offensiven Umgang mit der Stoßstange effektiv auszunutzen. Warum ein Deutscher Autofahrer sich trotzdem mit seinem besten Stück vor dem Jahreswechsel 2004/05 auf den Weg nach Paris macht, kann nur mit Übermut in Verbindung gebracht werden. Mein dunkelblauer
Polo 2F, Baujahr 1991, hatte schon den einen oder anderen Kilometer zurückgelegt und hatte ganz gewiss schon die eine oder kleine Delle abgekommen. Vielleicht hat dies und nicht zuletzt die teuren Bahntickets meine Entscheidung erleichtert, zusammen mit meiner damaligen Freundin im eigenen Auto nach Paris zu fahren.
Nachdem wir die belgische-französische Grenze überschritten hatten und uns die Route über die
mautpflichtige Autobahn führte, war die Begeisterung über eine
staufreie und
komfortable Autobahn groß. Die belgischen Schlaglöcher waren bis zum Autobahngürtel von Paris längst vergessen und dann kam ich erstmals in Kontakt mit dem Pariser Autofahrer, der es geschickt weiß, jede Lücke zu nutzen und das deutsche Reißverschlusssystem dabei schlicht unbeachtet lässt. Der Schnellere gewinnt und wer nicht weiß, welche Ausmaße sein Auto wirklich hat, muss damit rechnen, dass einen alle schlicht
umkurven werden und man keinen Meter voran kommt. Wir waren Mitten im Pariser Feierabendverkehr angekommen: um 16 Uhr. Ich weiß längst nicht mehr, wie lange wir wirklich gebraucht habe, den Weg zum Hotel zurückzulegen, aber eines war gewiss. Auch ohne
Navigationssystem an Bord haben wir die richtige Straße gefunden und machten uns sogleich daran, das Parkhaus zu suchen, wo mein geliebter
Polo die Silvesternacht heil überstehen sollten. Auch wenn die deutsch-französische Freundschaft oft und lange beschworen worden ist, glaubte ich nicht daran, mein Auto unnötig zu Zielscheibe
für
Billigböller und Silvesterraketen zu machen.
Das Parkhaus war keine 5 Fußminuten vom Hotel entfernt entpuppte sich allerdings schnell als
Tiefgerage, denn es ging steil bergab. Abgesehen davon, dass ich mit
horrormäßigen Parkgebühren bereits gerechnet hatte,
beschlich schon ein ungutes Gefühl als ich das Parkticket aus dem Automaten entnommen hatte und merkte, wie im gleichen Moment hinter mir der
Poller in der Einfahrt aus dem Boden fuhr und somit die Einfahrt für weitere Autos unmöglich machte. Es hätte nur noch gefehlt, dass das
Rolltor heruntergefahren wäre und wir damit vollkommen von der Außenwelt abgeschlossen gewesen wären. Mit dem unguten Gefühl, wo die Reise wohl enden wird, ging es Meter für Meter steil bergab in die unteren Parkebenen. Die Fahrt ging über vier Ebenen und wir sahen viele Autos, aber keine einzige Parklücke. Zumindest war nicht anzunehmen, dass die einzige Lücke, die wir erspäht hatten, überhaupt meinen Kleinwagen beherbergen konnte.
Nachdem auch weitere Ehrenrunden mit Ausnahme der einzigen Lücke keine weiteren Parkplätze ans Licht brachten, stand ich wieder vor der kleinen Parkhauslücke, mit der ich mich jemals auseinander gesetzt hatte. Die Alternativen erschienen ebenso wenig attraktiv: ein anderes Parkhaus mit freien Plätzen am Silvesterabend zu finden, erschien wenig machbar und wir waren längst reif für eine Pause vom Reisestress und wollten möglichst schnell im Hotel
einchecken. Dementsprechend stieg ich aus und inspizierte die Parklücke. Hätte ich einen Zollstock gehabt und die Lücke vermessen können, hätte ich das Projekt gleich aufgegeben, aber wieviel Platz wirklich vorhanden war, konnte nur ein Praxistest zeigen.
Da schnell klar, dass man nach dem Einparken weder den Kofferraum noch die Beifahrertür wird öffnen können, wurde zunächst der Wagen entladen. Dann begann ich den Wagen unter Mithilfe meiner menschlichen Einparkhilfe in die Lücke zu rollen. Als erstes wurde der Beifahrerspiegel komplett eingeklappt, schließlich ging es um jeden Zentimeter. Es galt den Wagen möglichst nah an die Wand zu setzen und dabei möglich gerade zu lenken. Mein
fahrerisches Können ermöglichte es mir durchaus den Wagen in die Parklücke zu lenken, ohne dass ich nur irgendwo
angeeckt wäre. Selbst hinten am Heck, wo erschwerend eine Schräge die Parklücke
abschloss, war alle heil geblieben. Die Höhe der Parklücke war am hinteren Ende eher für italienische Sportwagen ausgelegt, so dass es ich praktisch auf allen Seiten jeweils nur wenige Zentimeter Platz hatte. Und das galt nicht zuletzt für die Fahrerseite.
So gab es eine gute, aber auch eine schlechte Nachricht: der Wagen stand perfekt in der
Parklücke, aber ich
konnte nicht mehr aussteigen. Der erste Gedanke, über die Heckklappe
auszusteigen erwies sich durch die hintere Schräge als unmöglich. Der übliche Weg über die Fahrertür den Wagen zu verlassen war mit meinem Bauchumfang schlicht nicht zu leisten. Die Fahrertür ließ sich zwar einen Spalt öffnen, aber nur so, dass eine Hand durch den Schlitz gepasst hätte, wobei auch hier die Tür längst am Nachbarauto angelehnt war. Zunächst war ich vollkommen
ratlos und wollte das Parkhaus wieder verlassen, bis mir die
glorreiche Idee kam, es einfach so zu machen, wie es Stock-
Car-Fahrer auch machen, nämlich das Auto über das Seitenfenster zu verlassen. So kurbelte ich also das Fenster hinunter, um meine 189 cm durch das enge Fenster
hinauszubefördern. Ich quetschte meinen Po zwischen die beiden Autos, öffnete die Tür einen Spalt, kurbelte das Fenster wieder hoch, schloss den Wagen ab und polierte mit meiner Jeans gleichzeitig beide Autos.
Leider war niemand so geistiggegenwärtig, um direkt ein Foto zu machen, so dass lediglich Aufnahmen von dem Moment existieren, als das Auto wieder hinaus auf die Straße sollte. Aber man sieht vielleicht trotzdem, welche Schwierigkeiten in der ganzen Situation steckten.
Im Parkhaus war also genau ein Parkplatz frei und dort habe ich schließlich auch eingeparkt. Ich habe meinen
Polo nie wieder in gleicher Weise verlassen müssen und konnte bis zum Verkauf des dunkelblauen Kleinwagens stets mindestens über die Beifahrertür ein- und aussteigen. Mit meinem schwarzen Golf von heute hätte ganz sicher nicht einmal annähernd in die Lücke gepasst, aber ich habe auch gar nicht vor, mein ein Jahr altes Gefährt in den Pariser Stadtverkehr zu lenken. Es gibt dort jedenfalls gute Gründe, lieber einen Kleinwagen zu fahren. Denn der passt dann wenigstens im Parkhaus auch in die letzte freie Lücke.